"Für Angelo Garoglio" by Giovanni Romano, translated by Inge Schladen
June 2006

Zeichen
"Nous étions l'illusion qu'on nomme souvenir", diesen Vers von Yves Bonnefoy kann man nehmen, um zu versuchen sich den Zeichnungen Angelo Garoglios zu nähern. Die Bedeutung ist schwierig und schwindet (die illusorische Wahrheit einer verbrauchten Erinnerung), doch gerade in diesem der rationaien Evidenz, der einfachen Lesbarkeit Sich-entziehen, erkennt man die Parallelität zwischen Maler und Dichter. Garoglio erklärt mit Worten, dass scine Zeichnungen an der Welt der Natur inspiriert sind (die Hände, die Körper, die Blätter), doch wer hinschaut, erkennt nur übrig gebiiebene Spuren, die nicht auf ein organisches Bild zurückführen: es sind Reste einer Form, die sich in derZeit ausgelöscht hat, verbrannt von der leuchtenden Überbelichtung, die blendet und unfähig macht, die ursprüngliche Figur zu erkennen. Das Zeichen zwingt sich auf mit abstrakter Eleganz, mit gesuchter Abstufung der Farbe fast orientaiischer Herkunft, als seien es geheime Versuche eines Matisse auf dem Weg der reinen Abstraktion. Es sind Übersetzungen von Empfindungen in eine nicht perfektionierte Kalligraphie zur Vermeidung des oberflächlichen Gefälligen der schönen Malerei.

Farbe
Im raffinierten Nebeneinander von Bitumen und Graphit demonstriert Garoglio eine ganz besondere Sensibilität für Farbe, und wer seine Turiner Lehrmeister kennt (Ruggeri, Devalle, De Alexandris) identifiziert mühelos die Quelle solcher Umsicht; bleibt gleichwohl eine Zensur zu Lasten der Spontaneität. Die Farbe ist nicht festlich brilliant, so wie sie in der Realität existiert, vielmehr ist sie gewählt in Abstufungen schattiger Töne. Erst die gelungene Begegnung zwischen dem Lack des Bitumens und dem seidigen Samt des Graphits vollbringt das Wunder der Verführung, wie ein Musikakkord tiefer Noten, ein wenig gedämpft. Das Wort "Verführung" gibt es in Garoglios Wortschatz nicht, der es vorzieht, die persönliche Einmischung auszuschließen, Halt zu machen vor dem Expressivwerden, die Malerei als persönliche Therapie zu vermeiden. Sicher aber steht auch der Maler, wie der indiskrete Kritiker, verzaubert vor dem Wunder der farbigen Substanzen, die sich träge auf dem Blatt in freundschaftlicher und klarer Harmonie ausbreiten.

Materie
Die auferlegte Kontrolle über die eigenen Fähigkeiten als Maler veranlasste Garoglio zu einer besonderen Serie von Arbeiten mit dem Stein, auf der Suche nach Zeichen, chromatischen Texturen und leuchtenden Vibrationen, die er der Natur entnimmt und die folglich die expressive Wahl des Malers ausschließen sollen. Die Farbe, die signifikante Spur, das Licht sind in der Materie zu finden, der man jeden Tag begegnet, und die ausführende Hand macht keine andere Geste als diejenige, sie zu befreien durch Eingravieren, Berühren, Korrosieren der Oberfläche des Travertin oder des "Persiseli Rot". Die Sensibilität des Künstlers besteht im "Fühlen" dieser Möglichkeiten der Materie, in der Teilnahme, wie ein intimes Mitwirken an der großen und geheimen Sprache der Schöpfung. Auch um dieses Wirken mit den Materialien der Natur zu beschreiben, scheinen die Worte von Bonnefoy über den tiefen Sinn der antiken Schriften auf Stein angebracht, wenngleich halb ausgelöscht von der Zeit: "la forme qui caractéreise le signe ...doit composer avec ce que le granit ou l'ardoise ont de spécifique, leur résistence à l'entaille qui fait que le trait dévie et que le hasard se manifeste". Das Staunen vor dem in Erscheinungtreten des gesuchten und zufällig entdeckten Ergebnisses scheint mir der wahre Sinn von Garoglios Arbeit.